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Natur gegen Chemie - oder wie?

Ich bin gar kein Freund von absoluten Positionen, egal welcher Art - fast immer liegt die Wahrheit nämlich irgendwo dazwischen. Deshalb würde mir auch nie über die Lippen kommen "alles Synthetische ist schlecht" oder "Chemie schadet der Haut" oder irgendetwas in der Art. Warum? Weil: es kommt halt immer darauf an!

Aber der Reihe nach:

Wenn auf einem Produkt "Naturkosmetik" draufsteht, können trotzdem synthetische Stoffe enthalten sein - das können Emulgatoren sein, Stabilisatoren oder Konservierungs- oder Duftstoffe. Es können aber auch Wirkstoffe sein, zum Beispiel Hyaluronsäure, Vitamin C oder Retinol. Dadurch ist das Produkt aber nicht per se schlecht. Man muss dann nur ein bisschen genauer hinsehen, dazu komme ich gleich.

Gleichzeitig können in konventionellen Produkten auch natürliche Inhaltsstoffe enthalten sein, zum Beispiel Aloe Vera oder Jojobaöl. Das sind dann meistens (nicht immer!) klassische Greenwashingprodukte der großen konventionellen Herstellerfirmen. Dadurch ist das Produkt aber nicht per se gut. Auch dazu später mehr.

Bleiben wir bei Fall 1 - ein Naturkosmetikprodukt mit synthetischen Bestandteilen. In meinem Sortiment ist das bei einigen Marken der Fall, zum Beispiel wenn als Konservierungsstoffe Potassium Sorbate und/oder Sodium Benzoate angegeben sind. Diese werden synthetisch hergestellt und sind die beiden einzigen offiziell von Naturkosmetikzertifizierern erlaubten Konservierungsstoffe. Sie sind sehr günstig und werden daher auch vielfältig eingesetzt. Finde ich das schlimm? Meistens nein. Warum? Weil wir hier von sehr geringen Konzentrationen sprechen und keine Gefahr für Haut und Umwelt besteht. Ausnahme ist natürlich eine Unverträglichkeit gegenüber einem der Stoffe.

Anderer Fall: im Cacay Öl von Naya ist ein anderer synthetischer Bestandteil enthalten, nämlich das Vitamin A (Retinol). Das hat Vor- und Nachteile und ist nur für bestimmte Hautzustände zu empfehlen. Vorteil: sehr hohe erwiesene Wirksamkeit bei Akne und Falten. Nachteil: die Haut wird empfindlicher, möglicherweise gerötet und muss in jedem Fall vor Sonne geschützt werden. Die natürlichen Retinol-Alternativen (z.B. Bakuchiol oder Mattenbohne) sind wesentlich sanfter zur Haut, die Wirkung ist weniger stark, dafür sind es aber auch die Nebenwirkungen. Synthetisches Retinol halte ich daher grundsätzlich überhaupt nicht für schlimm - wenn es denn zum Hautzustand passt!

Wenn wir nun von synthetischen Kunststoffen sprechen, dann ist meine Meinung allerdings ziemlich eindeutig. Erdölbasierte Stoffen wie Polymere, Mikroplastik oder Silikone sind für mich absolute No-Gos. In der Regel sorgen sie alle für den gleichen Effekt - sie machen das Produkt geschmeidig und sorgen für ein glattes Haut- bzw. Haargefühl. Synthetische Kunststoffe können sich auf der (Kopf-)Haut anreichern, die Poren verstopfen und zu Unreinheiten führen. Weichmacher sorgen dafür, dass die Hautbarriere geschädigt werden kann. Dann haben es Bakterien einfacher, einzudringen und Entzündungen hervorzurufen. Und nicht zu vergessen: Wir waschen diese Stoffe alle wieder ins Grundwasser. Das heißt, sie verunreinigen nach und nach unser Trinkwasser. Haltet euch fest: allein in Deutschland werden jedes Jahr 920 Tonnen festes Mikroplastik und 24.000 Tonnen an gelösten Kunststoffen in Beautyprodukten eingesetzt. Nur in Deutschland! Und das finde ich nun wahrlich keine Option. Deshalb werden bei mir auch radikal einzelne Produkte aussortiert, zum Beispiel bei rms, bei Josh Rosebrook, oder auch bei Ilia. Denn in diesen Fällen werden bei einzelnen Produkte erdölbasierte Stoffe verwendet. Und das kommt mir nicht ins Regal.

Zu guter Letzt: gerne kommt mal jemand herein und erzählt mir stolz, dass sie/er ja schon Naturkosmetik verwenden würde. Und nennt mir dann eine Marke aus dem Drogeriemarkt, die schlichtweg mit einem natürlichen Bestandteil wirbt - zum Beispiel Arganöl. Das ist toll, dass ein Arganöl verwendet wird, aber lasst euch bitte nicht davon ablenken, was denn da sonst noch drinsteckt!! Wenn es nämlich ansonsten randvoll ist mit erdölbasierten Stoffen, dann hilft euch auch das schönste Arganöl nichts.

Also: nein, ich bin nicht grundsätzlich gegen Chemie oder gegen Synthetik. Ich bin aber grundsätzlich gegen synthetische Kunststoffe in meinen Kosmetikprodukten. Hier herrscht wahrlich eine Null-Toleranz-Grenze. Hm. Ist dann wohl doch wieder eine 'absolute' Postion :-)


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